Angst vor Fehlern

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  • Ich grüße Euch,


    ich möchte hier herausfinden, ob meine Angst vor Fehlern tatsächlich zu einer Diagnose gehört, die ich vor Jahren bekam, oder doch mehr zu einer Ängstlich-Vermeidenden Persönlichkeit.


    In der Erklärung zur Ängstlich-Vermeidenden Persönlichkeit wird von Angst vor Bewertung gesprochen. Nun an jene, die diese Diagnose haben, nicht nur glauben, sie hätten sie, wie sieht das bei Euch aus?


    Ich stehe übrigens nicht im Zwiespalt und bin kein unfreiwilliger Einzelgänger, weil ich das Gefühl von Einsamkeit nicht kenne.

  • Um diese Angst näher zu erklären, das wirkt sich so aus, dass ich Fehler sehr schwer oder nicht zugeben kann und wenn es evident ist, es irgendwie so zu drehen versuche, als sei das alles nicht wichtig für mich, die Sache auch vor mir runter spiele. Es geht bei mir so weit, dass ich Bereiche in denen ich fehlerhaft bin, einfach umschiffe und dadurch in diesen Bereichen ernsthafte Defizite habe. Ich schicke oft voraus, ich hätte etwas zuvor noch nie getan, obwohl ich es schon häufiger durchführte und sogar denke, ich sei ganz gut darin, weil ich ich es vorziehe besser ein guter Anfänger zu sein, als ein schlechter Fortgeschrittener, sollte es doch mal schief gehen.
    Das kommt schon bei so einfachen Dingen wie beim Kartenspiel vor. Als Einzelgänger, der ohne Geschwister aufwuchs hielten sich meine Erfahrungen was Kartenspiele betrifft sehr in Grenzen. Kommt noch dazu, dass ich nur ungern mit Zahlen umgehe (auch so eine Sache, die ich schon früh umschiffte, nur weil sie am Anfang nicht gleich funktionierte) und so waren meine ersten Erfahrungen mit Kartenspielen nicht gerade mit Erfolg gekrönt und so umgehe ich die Sache obwohl ich es können möchte.


    Verrückt ist übrigens, meine Ausbildung absolvierte ich in einem Steuer- und Wirtschaftsberatungsunternehmen. Da war ich vollkommen unglücklich und fast am durchdrehen bei so viel Konfrontation. Nach dem Abschluss warf ich das alles hin und studierte an einer Privatakademie freie Grafik und freie Malerei. Aber da war meine Erwartungshaltung noch größer, so dass ich nach 1,5 Jahren von geplanten 4 Jahren abbrach und zurück musste in diesen ungeliebten Beruf. So, dass der Beruf in meinem Leben das einzige zentrale Problem blieb. Immerwieder stieg ich aus und versuchte etwas anderes.
    Heute bin ich trotz abgebrochenem Studium als freischaffender Künstler tätig und fahre am Morgen mit dem Rad oder dem Auto Briefe aus und sehe meinen Chef höchstens 1mal in 2 Monaten.


    Warum ich nicht einfach locker mit Fehlern umgehen kann, meine Frustrationstoleranz ist sehr tief unten, liegt an den Folgen. Mir bricht jedesmal mein gesamtes Selbstbild weg. Ich gerate in ein Minderwertigkeitsgefühl, das vermutlich nichts mit der aktuellen Situation zu tun hat. Das ging früher bis zum Suizidversuch. Für mich waren solche Sachen also sehr bedrohlich. Weitgehend ehrlich kann ich mit meiner Partnerin umgehen, aber sie lernte ich im Chat kennen und im Internet kann ich anonym sehr ehrlich sein.
    Im Grunde baue ich so nie eine echte Beziehung zu anderen auf (auch nicht zu meinen Eltern). Ich erwarte etwas von ihnen, vermutlich eine Bestätigung, muss ihnen aber dennoch misstrauen.


    Ist das bei Euch auch so oder, wie kann ich mir das bei Euch vorstellen.

  • Es ist doch kein Mensch völlig frei davon, dass er zumindest ein bisschen Augenmerk darauf hat, ob und wie andere einen wahrnehmen. Kann mir keiner erzählen, denn es liegt in der menschlichen Natur. Wir alle scannen doch ununterbrochen unsere Umgebung und Mitmenschen ab, und schätzen ein und bewerten alles und jeden um uns herum in Sekundenbruchteilen und größtenteils unbewusst. Letzteres ist auch sinnvoll, denn sonst würde man auf Dauer wohl bekloppt werden.


    In der Erklärung zur Ängstlich-Vermeidenden Persönlichkeit wird von Angst vor Bewertung gesprochen.


    Hier ist wohl eher die Angst vor einer schlechten Bewertung gemeint?
    Es ist halt ein Unterschied, ob man nicht scharf drauf ist, schlecht von anderen wahrgenommen und bewertet zu werden (wobei "schlecht" vermutlich für jeden eine andere Bedeutung haben kann), oder ob man regelrecht Angst davor hat, und vor lauter Angst eben Situationen vermeidet in denen man schlecht bewertet werden könnte, was darauf hinaus liefe, dass ein Zusammentreffen mit anderen weitest möglich vermieden würde.



    Nachtrag trugbild: meine Antwort bezieht sich auf deinen ersten Beitrag - die habe ich gesendet während du bereits einen zweiten Beitrag geschrieben hast, den ich nicht rechtzeitig lesen konnte :)

  • Interessantes Thema. :)


    Ich würde von mir behaupten gelernt zu haben, meine wahre Natur zu sehen. Eine Abkehr jeglicher Illusion, hin zur Ehrlichkeit meiner Selbst. Ein sehr befreiender Prozess, ähnlich einer Katharsis. :D
    Die dunklen Stellen und Abgründe in mir sind kartographiert. Ich weiß wie ich zu leben habe, ohne zu versinken. Was mich keineswegs davon abhält, diesen Orten manchmal gefährlich nahe zu kommen. Nicht immer habe ich die notwendige Stabilität, manchmal knicke ich ein, aber bereits gemachte Erfahrungen halten mich zurück. Als verbranntes Kind weiß ich, wie heiß Flammen lodern - Leben heißt auch Kampf und der größte Feind blickt durch meine Augen.
    Ehrlichkeit meiner Selbst bewahrt mich vor essentiellen und gefährlichen Fehlern, welche sich gegen mich richten würden. Eine Akzeptanz meiner Unzulänglichkeiten, die ich aktiv anzugehen habe, weil sie passiv ignorierend zerstörerisch wirken. Hölle ist kein Ort, sondern ein Zustand.


    Was 'Alltagsfehler' betrifft, habe ich keine Probleme damit, diese offen zu legen und Konsequenzen zu ertragen. Da wird nichts versteckt oder vertuscht oder schön geredet oder weggeschoben. Das würde gegen alles stehen, woran ich glaube und woran ich mich orientiere. Und ich habe lange gebraucht, meine Strukturen zu errichten. Keine Konsequenz kann so schlimm sein, wie nicht mehr ohne Ekel in den Spiegel schauen zu können. Hinfallen, aufstehen! Nur so geht es voran. Heulen und leugnen ist nicht meins.

  • Das klingt gut und hat viel mit meiner Einstellung zum Thema zu tun. Nur, dort ist die Theorie und in der Praxis kämpfe ich mit einer Art Reflexverhalten. Es passt einfach nicht zu meiner sonst sehr unabhängigen Art. Ich müsste mir vorstellen vollkommen allein auf der Welt zu sein, um diese Gelassenheit aufzubringen.
    Wie gesagt, viele Situationen sind mir nicht wichtig, da ist das Problem nicht. Du sagst, Du könntest Dir sonst nicht mehr ohne Ekel ins Gesicht sehen. Ich kann mich selbst nicht mehr sehen, wenn mein Bild von mir durch solch eine Sache sich auflöst. Es ist der eigene Wert, der sich auflöst.


    Hattest Du je Therapie?

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